Testosteron und analoge Anabolika beim Pferd
Grundsätzlich keine Begründung für den therapeutischen Einsatz
Testosteron wird bei allen Pferden ständig produziert, beim Hengst in höheren Konzentrationen in den Leidig’schen Zwischenzellen der Hoden und den Nebennieren, beim Wallach in den Nebennieren, jedoch in deutlich geringeren Mengen, bei der Stute ebenfalls in geringen Mengen in den Ovarien.
Testosteron ist nicht nur für die Spermatogenese, sondern auch für die Libido, die primären und die sekundären Geschlechtsmerkmale verantwortlich.
Testosteron beeinflusst das Wachstum des juvenilen Pferdes erheblich. Hengste sind früher ausgewachsen als Wallache. Die Knochendichte nimmt zu, Hypophysenfugen schließen schneller, die Muskelmasse wird vergrößert und das Exterieur verändert sich. Bei erwachsenen Pferden (Hengste, Wallache, Stuten) wird die Leistungsfähigkeit positiv beeinflusst.
Um einen Arzneimittelmissbrauch zu erkennen, wurden Untersuchungen zu Testosteronnormalwerten bei Pferden durchgeführt. Bei Untersuchungen von etwa 2.400 im Sport eingesetzten Wallachen wurden physiologische Testosteronkonzentrationen von 0,0075 – 0,0149 Microgramm/ml Urin gefunden (Tang et al. 1998). Bei Stuten (Untersuchungen von 1.531 Tieren, Bonair et al. 2000) wurden höhere physiologische Werte ermittelt. Auf Grund dieser Untersuchungen wurden bei Wallachen erlaubte Höchstwerte von 0,02 Microgramm/ml Urin und bei Stuten von 0,055 Microgramm/ml Urin festgelegt.
Beim Hengst, insbesondere beim Junghengst zwischen 1-3 Jahren, unterliegt die Hormonproduktion und die Hormonausscheidung über Harn und Haare größeren inter- und intraindividuellen Schwankungen. Aus diesem Grunde ist es bei Hengsten schwierig, Standardwerte zu ermitteln. Allerdings sind bei Urin- und Haarkontrollen Metaboliten von Anabolika, z. B. das Testosteronpropionat oder das Nandrolonlaurat, zu erkennen. Anhand dieser Metaboliten sind körpereigene und körperfremde, also von außen zugeführte Hormone, unabhängig von deren Grenzwerten zu unterscheiden (Schlupp 2003).
Gründe für das Verbot der Testosteronanwendung
Für das Pferd gibt es kein zugelassenes Testosteronarzneimittel. Darüber hinaus ist die Anwendung von Testosteron nach dem Arzneimittelgesetz beim Pferd grundsätzlich verboten. Als Ausnahme wird in der Verordnung über Stoffe mit pharmakologischer Wirkung (§ 2 Abs. 1-3) lediglich festgelegt „die Anwendung bei Fruchtbarkeitsstörung“.
Nun könnte aber bei Pferden, die nicht zur Schlachtung und somit nicht zur Lebensmittelnutzung bestimmt sind (Equidenpass), im Falle eines sogenannten Therapienotstandes Testosteron dennoch eingesetzt werden. Dieser Umwidmung müsste aber eine eindeutige Indikation zum medizinischen Gebrauch zu Grunde liegen, die nach Kroker (1991) jedoch für das Pferd fehlt.
Würde dennoch eine Indikation zum Einsatz von Testosteron bei erkrankten Pferden gefunden, so wäre der anschließende Wettkampfeinsatz oder die Teilnahme an Pferdeleistungsprüfungen, wie Zuchtveranstaltungen und/oder Auktionen, aus Tierschutzgründen (§ 3 Abs. 1 und 11 des Tierschutzgesetzes) nicht erlaubt. Darüber hinaus würde eine solche Anwendung von Testosteron als Maskierung von Mängeln auch als Verstoß gegen Wettkampfregeln anzusehen sein (LPO).
Schließlich wären die Nebenwirkungen, insbesondere nach wiederholter Testosteronanwendung beim Pferd zu bedenken. Beim Hengst kann es zur Zerstörung der Leydig’schen Zwischenzellen, zum Libidoverlust und dadurch zur Impotentia coeundi kommen. Durch Ödematisierung besondere im Sehnen- und Muskelbereich besteht die Gefahr von Rupturen und dadurch von erhöhter Unfallgefahr. Außerdem kann Testosteron zu aggressivem Verhalten führen.
Bei der Stute ist die Gefahr von Ovartumorbildung erhöht. Es kann zu hengstigem und aggressivem Verhalten und erhöhter Verletzungsgefahr kommen. Beim Wallach sind die genannten Gefahren an Sehnen und Muskeln zu bedenken.
Missbräuchliche Anwendung verhindern
Die Anwendung von Testosteron beim gesunden Pferd ist ein Arzneimittelmissbrauch zum Zwecke der vorübergehenden Leistungssteigerung und Exterieurverbesserung und nach § 3 Abs. 11 des Deutschen Tierschutzgesetzes und der Verbandsbestimmungen aller nationalen und internationalen Pferdesport- und Zuchtverbände eindeutig Doping!
Nach der Berufsordnung ist der Tierarzt befugt, auf Grund seiner Qualifikation Arzneimittel beim Tier anzuwenden. Voraussetzung ist jedoch eine medizinische Indikation. Der Tierarzt ist aber auch verpflichtet, sich mit der Nutzung des Tieres zu beschäftigen und diese beim Einsatz von Arzneimitteln zu berücksichtigen. Der Tierarzt hat in seiner Funktion als Tierschutzexperte die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass Arzneimittel nicht zur Leistungsverfälschung eingesetzt werden, wie z.B. der Einsatz von Testosteron beim gesunden Tier ohne medizinische Indikation – wie im Fall von „Rusty“![1]
Die Tierärzte und ihre Standesorganisationen müssen sich dafür einsetzen, dass fahrlässig, grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich missbräuchliche Arzneimittelanwendungen nicht stattfinden.
Gesellschaft für Pferdemedizin, Postfach 550251, 44210 Dortmund;
www.g-p-m.org/start.htm
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[1] Pferd der Weltranglistenersten Ulla Salzgeber, das im Rahmen des Dressur-Weltcupfinales 2004 positiv auf Testosteron getestet wurde.
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