Die wissenschaftlich gesicherten Ergebnisse zeigen bei nüchterner Bewertung aber, dass kein Anlass zur Panik gegeben ist und dass erst recht kein Grund für eine Verteufelung von Hunden und insbesondere derer der Spaziergänger besteht.
Die folgenden Fakten sind zu betrachten:
1. Richtig ist, dass im Hundekot ein Einzeller ausgeschieden wird, der von Heydorn 1973 beschrieben und später von Dubey Neospora caninum genannt wurde. Dieser Erreger führt bei gesunden Tieren (Rind, Ziege, Maus, Ratte, Hund) aber zu keinerlei Krankheitssymptomen. Krankheitssymptome kann man nur erzeugen, wenn die Tiere experimentell vor der Infektion mit Cortison etc. vorbehandelt werden, was zu einer Schwächung des Immunsystems führt.
2. Nicht einmal erwiesen ist, dass Hunde, die serologisch positiv sind, auch ausgeschieden haben. Sie könnten auch nur selbst Träger des Parasiten sein und somit Antikörper produzieren.
3. Richtig ist, dass bei gesunden Kühen häufig sog. Antikörper gegen diesen Einzeller nachgewiesen werden können. Diese Antikörper finden sich in Australien in bis zu 20% der Kühe, in Deutschland oft bei 5% der Tiere. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass der Parasit auch noch anwesend ist.
4. Richtig ist, dass bei einer Anzahl von abgetöteten oder krank geborenen Foeten von Rindern und (noch seltener) von Hunden Stadien von Neospora nachgewiesen wurden.
5. Falsch ist, dass dieses Auffinden von Parasiten der endgültige Beweis ist, dass die Parasiten die tatsächliche oder alleinige Ursache für den Abort sind. Der wissenschaftliche Beweis, dass Neospora für sich alleine Aborte auslöst, wurde bisher nicht erbracht. Die Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe (Autoren Dr. S. Schmidt, Dr. Zioleck, Dr. S. Grundlach) hat allein 17 Gründe für Rinderaborte aufgelistet, die auf Infektionen zurückgehen weitere existieren sicher auf Grund genetischer Zuchtfaktoren oder Stoffwechselerkrankungen. Diese anderen möglichen Ursachen wurden bei den Untersuchungen der abortierten Foeten nicht oder nicht vollständig ausgeschlossen. Es ist bei der Sachlage der geringgradigen Vermehrung von Neospora in gesunden Tieren offenkundig, dass sich Neospora als Trittfahrer in kranken Foeten ausbreitet. Dies wird auch dadurch belegt, dass z.B. in Australien bei Herden mit 20%iger Durchseuchung mit Neospora zum Teil überhaupt keine Aborte auftraten.
6. Richtig ist, dass Hunde Dauerstadien von Neospora im Kot ausscheiden, dies aber nur sehr kurz und in sehr geringem Maße und auch nur, wenn sie rohes (= ungekochtes, nicht tiefgefrorenes) erregerhaltiges Fleisch gefressen haben. Dies ist beim typischen chappi-ernährten Hund der Spaziergänger nicht der Fall. Auch die früher noch praktizierte Hausschlachtung auf Bauernhöfen, bei der etwas Rohes für die Hofhunde abfallen konnte, ist heute extrem selten. Darüber hinaus sind die Parasiten selbst in befallenen Tieren extrem rar, so dass ein Übertragungsrisiko gering ist.
Fazit:
Die Übertragung der - nach unserer Meinung - für gesunde Tiere ungefährlichen Neospora-Stadien erfolgt somit im wesentlichen von der Kuh aufs Kalb. Sofern überhaupt Hunde in nennenswertem Maße an der Verbreitung beteiligt sind, so sind es die Hunde der Bauern selbst sofern sie mit rohem Fleisch ernährt werden. Zu einer Verteufelung von Spaziergängerhunden besteht somit absolut keine Veranlassung. Die in einigen Presseberichten hervorgehobene Zunahme von N. caninum-verursachten Aborten ist völlig widersinnig, da Hunde heute viel seltener mit rohem Fleisch gefüttert werden als früher. Falls dennoch die Zunahme richtig wäre, würde dies die Unschuld des Hundes beweisen.
Prof. Dr. H. Mehlhorn, Inst. f. Parasitologie, Uni Düsseldorf, 40225 Düsseldorf
Prof. Dr. A.O. Heydorn u. Prof. Dr. E. Schein, Inst. f. Vet. Parasitologie, FU Berlin, 14163 Berlin
Hinweis von VetContact: Dieser Aufruf `WIDER DIE PANIKMACHE UM DIE NEOSPOROSE` gibt die Meinung der Atoren wieder.
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